Die Fluten kommen über das Weltmeer und überschwemmen unsere Länder. Die Schreckensbilder des Flüchtlings als gesichtslose, anonyme Masse beschwören gerne Naturmetaphern. Aber schon jeder einzelne Flüchtling scheint eine bedrohliche Figur. Seiner entorteten, entrechteten Existenz, reduziert auf das nackte Leben, haftet ein Etikett des Barbarischen an. Der Flüchtling sprengt die grundlegende Vereinbarung unserer Zivilgesellschaft: den unverbrüchlichen Zusammenhang zwischen Menschsein und Bürgertum. In der Figur des Flüchtlings manifestiert sich ein ständiger Ausnahmezustand im Rechtsstaat. Eine marginalisierte Gruppe wird zur entscheidenden Figur der Krise des modernen Nationalstaates und zu einer politischen Schlüsselfrage. Gleichzeitig fixiert der Flüchtling eine Topographie der Ordnungsinstanzen, Kontroll- und Überwachungsorgane und militärischen Zurichtungen: Er markiert die Orte einer legalisierten Rechtlosigkeit. Der Ausnahmezustand, in dem sich jeder Flüchtling befindet, der ihn gleichzeitig kontrolliert und neutralisiert, ihn im selben Moment ein- und ausschließt, verweist auf den neurotischen Gestus, mit dem die Zivilgesellschaft ihre obsolete Ausgrenzungspolitik verteidigt.
Die Veranstaltung Dienstleistungen an Unerwünschten zeichnete eine verborgene Geographie nach, innerhalb derer sich die Figur des Flüchtlings bewegt. Eingeladen waren Expert*innen, die sich im Berufsalltag mit Flüchtlingen auseinandersetzen – Anwälte, Reporter, Sozialarbeiter, Aktivisten oder Theoretiker. Es waren Erfahrungsberichte, Analysen der Praxis, einzelne Fallstudien, die das Thema erzählend verhandelten, jenseits der vorherrschenden medialen Repräsentation und Bildproduktion.