In Bochum fand das erste Akademie-Modell der MAB statt: ein Monat zwischen Aktionismus und Nachdenklichkeit mit praktischen Übungen zu Fragestellungen der Weltgesellschaft, die auch die Theatermacher*innen betreffen: Wie verändern sich eigentlich zukünftig der Wert von Arbeit und die Berufsbiographien? Gibt es neue Modelle für eine kluge Vernetzung der Einzelschaffenden? Wie läßt sich die gesellschaftliche Funktion von Theater neu definieren, ohne uns zu langweilen? Dabei tauchte die Theorie überraschend und unvorhergesehen an vielen verschiedenen Orten auf – ein verführerischer Wegelagerer.
Die Theatermacher haben inzwischen begriffen, daß sie die neuen Themen, Formen und Aufgaben ihrer Kunst nicht mehr allein aus dem Theater selber erschaffen können. Alle klauen und kopieren mittlerweile aus anderen Kunstdisziplinen und Medien. Nicht nur die Berufsbiographien der arbeitenden Bevölkerung ändern sich radikal von einer vertikalen und hierarchischen Orientierung (von einer Stelle zur nächst höheren Stelle) zu einer horizontalen (von einem Projekt zum nächsten Projekt). Auch das Berufsbild der Künstler und Theatermacher ist derselben Entwicklung unterworfen. Wir alle sind nomadisierende Experten, die isoliert an ihren Patchwork-Karrieren basteln und die Marktmechanismen für den Auftritt ihres Produkts zu nutzen wissen.
Aber trotz der großen interdisziplinären Mühen und seiner Sucht nach Aktualität will das Theater nie so ganz im Hier und Jetzt ankommen. Denn das Theater ist ein Gedächtnisraum. Und das meint mehr als nur einen effizienten Speicher, in dem man die neuesten Daten und Informationen ablegen und aus dem man sie wieder abrufen kann. Und das Theater ist ein öffentlicher Versammlungsort, erst in einem gemeinsamen Akt von Theatermachern und Publikum entsteht die Kunst.
Die Analyse ihrer politischen Bedeutung in der neuen Gesellschaft bleibt für die Theatermacher mühsam, theoretisch und äußerlich. Und außerdem fließt ja bekanntlich zwischen Wollen und Können der Mississippi. Während wir also in der Theater-Akademie weiter intensiv an unseren transdisziplinären Karrieren arbeiteten, gingen wir gleichzeitig der Idee vom Theater als Versammlungsort nach. Erfüllt die Institution Theater diese Bedingung noch, oder welcher andere Ort könnte das heute tun? Und welche Rolle geben wir dabei dem Publikum? Aber vor allem: Wie können wir dem Publikum wieder unvermutet und überraschend begegnen?